Keine Zwangsräumung von Familie Thind
Stuttgart 11.11.2017
Bis Ende November 2017 will die SWSG die Wohnung von Frau Thind, ihrer zwei erwachsenen Kinder und ihres Enkelkinds in der Stuttgarter Wolframstraße zwangsräumen.
Die SWSG-Mieterinitiative betrachtet diese Zwangsräumung als einen Akt der Unmenschlichkeit und fordert, dass die Familie in ihrer Wohnung bleiben kann.
Wir halten Frau Thind aus gesundheitlichen Gründen für nicht umzugsfähig und betrachten einen Umzug in eine Fürsorgeunterkunft für die Familie aus sozialen und finanziellen Gründen als nicht akzeptabel.
In einem ärztlichen Attest vom 6.11. 2017 wird bescheinigt, dass Frau Thind „derzeit nicht umzugsfähig“ ist.
Frau Thind ist schwer an mehreren Arten von Krebs erkrankt und hat seit einer ihrer jüngsten Operationen einen künstlichen Darmausgang. Sie ist zu hundert Prozent schwerbehindert, auf einen Rollstuhl angewiesen und in Pflegegrad fünf eingestuft.
Trotz des dramatischen gesundheitlichen Zustands von Frau Thind und der geistigen Behinderung ihres 26-jährigen Sohns schafft es die Familie, ein halbwegs normales Leben zu führen. Dafür erhält die Familie sehr engagierte Unterstützung von dem Betreuer des behinderten Sohnes und einem Pflegedienst, der drei- bis viermal am Tag bei Frau Thind im Einsatz ist. Die Tochter arbeitet als Altenpflegerin mit entsprechend niedrigem Lohn. Die Enkelin hat in der Nähe der Wohnung einen Kindergartenplatz.
Die SWSG hat der Familie aufgrund von Mietschulden fristlos gekündigt und auf Zwangsräumung geklagt. In den bisherigen Veröffentlichungen der SWSG verschweigt das Unternehmen die Begründung für die nicht voll bezahlte Miete.
Wasserschaden wegen Vernachlässigung von Instandhaltung
Nach Angaben von Frau Thind und dem Betreuer ihres Sohnes hat es in der Zeit um Heiligabend 2014 einen Wasserschaden in der Wohnung gegeben. Mit Fäkalien durchsetztes Abwasser stand 30 Zentimeter hoch in Frau Thinds Wohnung. Trotz mehrmaliger Anrufe bei der SWSG-Hotline hat sich die Firma nicht um diesen Notfall gekümmert. Frau Thind hat deshalb die Feuerwehr angerufen, die das Abwasser dann abgesaugt hat. Wenige Tage später, im Dezember 2014, trat das Problem in gleicher Weise auf. Auch diesmal verständigte Frau Thind die SWSG, die erneut nicht sofort handelte. Frau Thind rief deshalb den Notdienst einer Rohreinigungsfirma an, auch um die Ursache des Abwassereintritts feststellen zu lassen. Frau Thind und ihre Tochter waren gezwungen, selbst das Abwasser aufzuwischen und zu entfernen.
Nach Auskunft des Notdienstes trat der Wasserschaden auf, weil die SWSG die Abflussrohre in der Vergangenheit nur mangelhaft gewartet hatte. Der Notdienst stellte mithilfe einer Kamera fest, dass neben Schutt und Steine auch tote Ratten in dem Abflussrohr lagen – und dies den Wasserschaden ausgelöst hatte. Die SWSG unternahm jedoch auch dann nichts, als sie von Frau Thind darüber informiert wurde. Auch nach diesem zweiten Wasserschaden hat die SWSG die Ursache nicht sofort behoben. Deshalb kam es bis zum 31. Januar 2015 und an Pfingsten 2015 zu weiteren Wasserschäden mit Überschwemmungen in der Wohnung. Erst im Jahr 2016 hat die SWSG Instandsetzungsarbeiten an den Abflussrohren eingeleitet.
Fristlose Kündigung und Räumungsklage
Die SWSG behauptet, sie habe alle Schäden in der Wohnung behoben. Laut Frau Thind hatte die SWSG zunächst erklärt, die Mieterin müsse den Schaden an den Möbeln selbst bezahlen oder aber – dies wäre rechtswidrig – von ihrer Hausratsversicherung ersetzen lassen. Frau Thind hat den Schaden nämlich nicht verursacht. Frau Thind beziffert ihren Schaden an Küchenmöbeln, elektrischen Geräten und Teppichen auf 3700 Euro. Die SWSG hat die Schäden nur unzureichend behoben (Trocknung des Fußbodenuntergrunds, Putzen nur des Bads durch eine Reinigungsfirma, sonst keine Reinigung, Anstrich einer Wand im Essbereich der Wohnung). Sie war auch nicht bereit, entsprechend dem Schaden an der Einrichtung der Familie finanziell entgegenzukommen, hat Frau Thind ab Juli 2015 ihre Miete um 50 Prozent gekürzt. Die SWSG hatte im Rahmen des gegenseitigen Mahnverfahrens 2015 die Familie Thind über Rechtsanwälte gebeten, Termine für eine Schadensbehebung zu akzeptieren. Die Durchführung sollte nach Darstellung der SWSG so aussehen, dass die Familie für mehrere Wochen in ein Hotel ziehen und in dieser Zeit die Wohnung instand gesetzt werden sollte. Auf dieses Angebot ging Frau Thind nicht ein, weil sie für die Familie nicht riskieren wollte, auf diese Weise „ausgesperrt“ zu werden, zumal die SWSG bereits eindeutig darauf hinarbeitete, die Familie aus der Wohnung zu bekommen.
Die Mietminderung wurde von der SWSG als Grund für eine fristlose Kündigung und Räumungsklage genutzt. Bei einem Gerichtstermin am 8. 12. 2016 sah sich Frau Thind krankheitsbedingt und aus finanziellen Gründen gezwungen einen Vergleich zu akzeptieren, in dem sie einwilligte, die Wohnung bis 31. 7. 2017 zu räumen und die aufgelaufenen Mietrückstände in monatlichen Raten von 80 Euro abzuzahlen. Die SWSG wurde erst durch den Vergleich dazu bewegt, für einen durch den Wasserschaden defekten Geschirrspüler, der 400 Euro gekostet hatte, 200 Euro zu ersetzen. Auch für die defekte Waschmaschine war die SWSG erst bei dem Vergleich bereit, einen Schadensersatzanspruch von 699 Euro zu akzeptieren. Weil Frau Thind von vielen Möbeln keine Rechnungen mehr hatte, konnte sie den Schaden nicht genau nachweisen. Deshalb wurde er bei Gericht nicht anerkannt. Fakt ist, dass die Familie Thind wegen der Abwasserüberschwemmung ihre Wasch- und Geschirrspülmaschinen, Kühlschrank und Backofen nicht mehr benutzen konnte und es notwendig wurde, neue Geräte anzuschaffen.
Da die Familie Thind bis zum 31. 7. 2017 keine Ersatzwohnung finden konnte und die Zwangsräumung drohte, wurde von Bekannten der Familie eine Online-Petition gegen die Zwangsräumung gestartet. Innerhalb weniger Wochen wurde diese Petition von mehr als
40 000 Menschen unterzeichnet.
Der Kundencenterleiter der SWSG, Herr Schilling, hat in einer Stellungnahme vom 25 .7. 2017 erklärt, neben den Mietschulden würden die „massiven Verwerfungen innerhalb der Hausgemeinschaft“ eine Fortführung des Mietverhältnisses ausschließen.
In einer Stellungnahme auf der Petitionsseite erklärte Frau Maack, die Frau des Betreuers von Frau Thinds Sohns: „In dem mehrstöckigen Haus hatte die Familie Probleme mit maximal drei anderen Parteien. Mit einer Partei gab es (unabhängig von der SWSG) einen Gütetermin vor Gericht, der zu einem für beide Seiten akzeptierten Ergebnis führte. Die sogenannten ‚massiven Vorwürfe‘ haben dazu geführt, dass Familie Thind einmal von der SWSG befragt wurde. Eine Mediation mit allen betroffenen Parteien fand nie statt und wurde auch nicht von der SWSG initiiert. Aber Familie Thind erhielt eine Abmahnung. Nachdem die SWSG auf diese Art ihre Parteilichkeit demonstriert hatte, wurden weitere Mediationstermine für Familie Thind sinnlos. Und seit Sommer 2016 gibt es mit keiner anderen Mietpartei im Haus irgendwelche Konflikte.“
Aufgrund der einschlägigen Erfahrung mit der SWSG hält die Mieterinitiative die Darstellung von Familie Thind und dem Betreuer des Sohnes für glaubhaft. Wie im Falle der Abflussrohre in der Wolframstraße vernachlässigt die SWSG die Instandhaltung der Gebäude. MieterInnen werden von der Hotline der SWSG abgewimmelt. Weil die SWSG selbst bei Notfällen nicht umgehend reagiert, müssen MieterInnen immer wieder die Feuerwehr rufen. Bei Wasserschäden versucht die SWSG, die Kosten den MieterInnen aufzuhalsen. Bei Mieterkonflikten gibt es oft keine professionelle Herangehensweise sondern Willkür.
Der Fall der Familie Thind zeigt, wie unmenschlich mit sozial Benachteiligten bei der städtischen SWSG und in unserer Gesellschaft umgegangen wird. Hinzu kommt, dass sozial Benachteiligte aus finanziellen Gründen kein Prozessrisiko eingehen und ihre Rechte nicht durch alle Instanzen einklagen können.
Wer krank und arm ist, steht in juristischen Auseinandersetzungen von Anfang an auf der Verliererseite. Das weiß die SWSG und nutzt dies schamlos aus. Die SWSG finanziert mit den Mieteinnahmen einen ganzen Stab von Rechtsanwälten. Bei Räumungsklagen und anderen Gerichtsprozessen wird – wie im Fall von Frau Thind – zusätzlich eine Kanzlei beauftragt.
In dem Vergleich wurde festgelegt, dass Frau Thind 95 % der Gerichts- und Verfahrenskosten bezahlen muss – die SWSG aber nur 5 %.
Der durch die Vernachlässigung der Instandhaltung und die Unterlassung der Ursachenbeseitigung von der SWSG verursachte Schaden und die Folgekosten haben die ohnehin einkommensschwache Familie in eine Situation gebracht, weit unter Hartz-IV-Niveau leben zu müssen.
Leider haben die SWSG-Mieterinitiativen erst durch die Online-Petition von der Räumungsklage gegen Frau Thind erfahren. Wir wollen alles tun, um der Familie beizustehen und den Umzug in eine Fürsorgeunterkunft zu verhindern. Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, die Mieterinitiativen weiter aufzubauen und bedrohte Familien von Anfang an so zu unterstützen, dass es zu keiner Räumungsklage kommt bzw. diese abgewehrt wird.