SWSG: jährlich zweistellige Millionengewinne zur Finanzierung von Abriss-Neuprojekten mit denen Normal- und Geringverdiener:innen aus der Stadt hinaus gebaut werden und das Klima geschädigt wird
Die städtische Wohnungsgesellschaft erhöht turnusmäßig alle drei Jahre die Mieten macht jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag Gewinn. In 2023 waren es 12 Millionen. Die Geschäftsführung und manche Aufsichtsräte behaupten immer wieder, das Geld bleibe bei der SWSG. Aber das stimmt nicht. Ungefähr in der Höhe des jährlichen Gewinns kauft die SWSG von der Stadt Grundstücke, die davor in Erbpacht genutzt wurden.
Verdoppelung der Mieten durch Abriss-Neubau
Die SWSG beteuert immer wieder dass sie „ lebenswerten und preisgünstigen Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung zur Verfügung“ stellt. In Wirklichkeit vernichtet die SWSG die letzten noch relativ preisgünstigen Wohnungen mit erhaltenswerter Bausubstanz und grünem Umfeld für teure Neubauten mit extrem dichter Bebauung. Diese Politik gibt es schon seit Jahren. Auf der Rohrer Höhe wurden 2016/17 64 Wohnungen, darunter 44 Sozialwohnungen mit Kaltmieten von 5 bis 7 Euro abgerissen. Neu gebaut wurden nur 19 Sozialwohnungen und ansonsten frei finanzierte Wohnungen mit doppelt so hohen Mieten wie vorher und 19 Eigenheime. Der Antrag des Bezirksbeirats Vaihingen, 50 % Sozialwohnungen zu bauen, wurde im Gemeinderat abgelehnt.
Die Mieten der zum Abriss freigegeben Altbauwohnungen lagen Ende der 10e, Anfang der 20er Jahre durchschnittlich unter 8 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter. Die 2024 fertig gestellten Neubauten sind doppelt so teuer.
Keltersiedlung in Zuffenhausen
Die SWSG hat Mitte März 2019 mit der Zerstörung der Keltersiedlung in Zuffenhausen begonnen. Für 75 zusätzliche Wohnungen wurden 105 Wohnungen mit guter Bausubstanz abgerissen. Dafür gab die SWSG 2019 Kosten von 40 Millionen Euro an. Das bedeutet, dass jede zusätzliche Wohnung mindestens 533.000 Euro kostete. Wahrscheinlich warwn die Kosten am Ende viel höher. Zusätzlich musste die Stadt einige Millionen aufbringen um die Altlasten zu entfernen. „Knapp 90% der der Abrisswohnungen werden durch Neubauwohnungen zum selben Mietpreis ersetzt“ erklärte der SWSG-Pressesprecher gegenüber der Stuttgarter Zeitung (22.2.2017). Der durchschnittliche Mietpreis lag in der Keltersiedlung vor dem Abriss nach Angaben der SWSG bei 7,54 Euro. Es gibt einen Propagandavideo von der SWSG, in dem der SWSG-Geschäftsführer Samir Sidgi allen Ernstes über die Neubauten sagt: „93 Wohnungen kosten genau 7,50 Euro“. Nachzuhören hier
Herr Sidgi wollte mit dem Video erklärtermaßen den Vorwurf der Mieterinitiative zurückweisen, dass günstige Wohnungen für teure Neubauten abgerissen werden. Doch bereits 2019 widersprachen die offiziellen Zahlen den Behauptungen von Herrn Sidgi: Die neuen Sozialwohnungen mit Wohnberechtigungsschein sollten 8,50 Euro Kaltmiete kosten. Die neun Sozialwohnungen, die es in der Keltersiedlung vor dem Abriss gab hatten einen Mietpreis zwischen 5,76 Euro und 6,08 Euro. Die Sozialbindung dieser Wohnung lief bis 2024. Trotzdem werden sie 2019 abgerissen. Die neuen frei finanzierten Wohnungen in der Keltersiedlung sollten 12,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter kosten. Ein Stellplatz sollte 70 Euro im Monat kosten. Die Aussagen des Geschäftsführers und des Pressesprechers der SWSG zu den 7,50 Euro Miete der Neubauwohnungen waren Lügen.
Inzwischen ist der letzte Bauabschnitt in der Keltersiedlung fertig und die letzten neugebauten Wohnungen werden seit Juni 2024 auf dem Immobilienmarkt angeboten. Und es kam alles noch viel schlimmer. Die Neubauwohnungen kosten 15 bis 16 Euro Kaltmiete.
https://www.immobilienscout24.de/neubau/stuttgarter-wohnungs-und-staedtebaugesellschaft-mbh/keltersiedlung/128466.html
Eine 45,07 Quadratmeter große 1-Zimmer-Wohnung in der Keltersiedlung kostet warm mit Stellplatz (85 Euro) 944,05 Euro im Monat. Das sind fast 21 Euro Warmmiete pro Quadratmeter. Eine neugebaute 5-Zimmer-Wohnung mit 105 Quadratmeter in der Keltersiedlung kostet warm 2.084,55 Euro. Das sind 20 Euro Warmmiete pro Quadratmeter. Seit Juni werden die Neubauten vermietet. Interessanterweise sind erst 40% vermietet. Sie sind sogar für die Porsche-Beschäftigten, die wohl ins Visier dieser Neubauten in Zuffenhausen genommen wurden, zu teuer. Die SWSG spielt mit ihrer Wohnungspolitik den Vorreiter bei der Gentrifizierung von Arbeiterstadtteilen. Private Investoren ziehen nach. Die SWSG ist damit Teil einer städtischen Wohnungspolitik, die Gering- und Normalverdiener:innen stystematisch im Interesse der Immobilienmafia aus der Stadt hinausbaut. Ein Nebeneffekt ist dabei, dass bei jedem Abriss für das Stadtklima und für die Fauna wichtige Bäume, Sträucher und Grünflächen abgeholzt bzw. zerstört werden.
Beispiel Personalwohnungen Prießnitzweg
Genauso wie viele Siedlungen in Zuffenhausen, im Hallschlag, Wolfsbusch, auf der Rohrer Höhe und anderswo wurden auch die Ende der 60er Jahre, Anfang der 70er Jahre gebauten Personalwohnheime des Klinikums vom Klinikum und der SWSG als „nicht mehr sanierungsfähig“ erklärt und abgerissen. Ein von der Mieterinitiative engagierter Architekt kam zu dem Ergebnis, dass die beiden Wohnblöcke eine gute Bausubstanz haben und mit einem Bruchteil der Kosten für Abriss und Neubau saniert, umgebaut und aufgestockt hätten werden können. Die Mietpreissteigerung auf 18 Euro pro Quadratmeter in den Personalwohnungen hätte verhindert werden können. Alle abgeholzten Bäume hätten erhalten werden können. In einem Artikel in den Stuttgarter Nachrichten vom 25.10.2024 über die angeblich so innovativen Neubauten im Prießnitzweg gibt Jens Ludloff, Architekt und Professor an der Uni Stuttgart zu bedenken, dass diese Neubauten nicht nachhaltig sind: „Die wirkliche Herausforderung beim Bauen in Europa liegt nicht im Neubau, sondern in der Nutzung des Bestands.“ Was in fortschrittlichen Architektenkreisen längst herrschende Meinung ist, wird von der SWSG-Geschäftsführung und der Mehrheit im Gemeinderat völlig ignoriert. In Stuttgart geht der Abrisswahn weiter. Opfer sind die Stadtbevölkerung und das Klima. Was für ein Zynismus, wenn der Geschäftsführer der SWSG, Samir M. Sidgi im Amtsblatt vom 18.7.2024 angesichts von 18 Euro Grundmiete im neuen Personalwohnheim behauptet: „Das Quartier ist ein Bekenntnis zu bezahlbarem Wohnen und ökologischer Verantwortung“.
Das gemeinnützige Recherchezentrum CORRECTIV hat über AbrissNeubau recherchiert und kommt zu einem vernichtenden Urteil der Abrisspolitik, die auf Stuttgart und die SWSG übertragen werden kann
Dazu ein Zitat von Peter Conradi (1932 – 2016), Architekt und langjähriger Bundestagsabgeordneter der SPD aus einem Schreiben an die Mieterinititiative aus dem Jahr 2018
“ Es ist ein Skandal, dass in
Stuttgart trotz eines grossen Mangels an
bezahlbaren Wohnungen ständig vorhandene
preiswerte Wohnungen abgerissen und durch
teure Neubauwohnungen ersetzt werden.
Viele Sozialwohnungen wurden einst aus
Steuergeldern subventioniert und werden nun
aus spekulativen Gründen abgerissen. Das
ist auch energetisch ein Skandal, denn in der
Regel sind Sanierungen energetisch sinnvoller
als Abriss und Neubau. Ökonomisch kann
man für das Geld, das man benötigt, um
eine bestehende Wohnung abzureissen und
durch einen Neubau zu ersetzen, drei bestehende
Wohnungen sanieren. Aber dabei wird nicht so
viel verdient wie beim Abriss und Neubau.“
In der Vergangenheit gab es auch unter abhängig Beschäftigten Mieter:innen, die sich die teuren Neubauten leisten konnten und können. Doch wenn die Neubaumieten derart in die Höhe schießen und gleichzeitig die Reallöhne sinken, immer mehr Arbeiterinnen und Angestellte von Kurzarbeit betroffen sind und die Krise in der Automobilindustrie sich weiter zuspitzt wird die Lage immer dramatischer. Das erklärt wohl auch, dass trotz Wohnungsnot Monate nachdem die SWSG neu gebaute Wohnungen auf dem Markt anbietet laut den Immobilienseiten im Internet nur ein Bruchteil vermietet ist. Die SWSG-Geschäftsführung und die Mehrheit im Gemeinderat und SWSG-Aufsichtsrat interessiert das nicht. Sie machen weiter mit ihrer Geschäftspolitik zulasten von Mieter:innen und Klima. Deshalb muss auch der Widerstand der Mieter:innen gegen diese Politik weitergehen, notfalls auch mit einem Mietenstreik.