Dosiermittel: Gericht entscheidet gegen SWSG

Die SWSG und andere Vermieter schützen alte Wasserrohre durch Zugabe von chemischem Dosiermittel im Trinkwasser vor Korrosion. Diese Kosten lässt sich die SWSG bislang von den Mietern über die Betriebskosten erstatten.

Nach dreijähriger Auseinandersetzung zwischen SWSG-Mieterinitiative und SWSG hat das Amtsgericht Stuttgart mit einem Urteil vom 3.11.2017 entschieden, dass die Kosten von der SWSG zu tragen sind. Allein im Wohngebiet Lauchhau geht es hier nach einer Hochrechnung der SWSG-Mieterinitiative um 100.000 Euro, die in den Jahren 2008 bis 2016 zu unrecht von den Mietern kassiert wurden.

Das Amtsgerichtsurteil stützt sich auf ein vom Gericht eingeholtes Gutachten einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. In dem Gutachten wird festgestellt, dass die Wasserqualität nicht verbessert wird: „Das eingesetzte Dosiermittel dient rein dem Korrosionsschutz der Rohre“.

„Diese Kosten auf die Mieter abzuwälzen, ist damit nicht zulässig! Die Mieter der SWSG sollten solche Kosten bei den Nebenkostenabrechnungen ablehnen; die SWSG ist veranlasst, die zu Unrecht von den Mietern in den vergangenen Jahren erhobenen Kosten an diese zurück zu erstatten!“, so Rechtbeistand Thomas Jung, der für die Mieterin die Feststellungsklage geführt hat. Die Klage wurde vom Mieterverein unterstützt.

Für die Mieterin und Klägerin, Bettina Kienzle, gibt es neben der finanziellen noch eine andere Seite: „Noch viel schlimmer ist für mich der Vertrauensbruch. Die SWSG hat uns sechs Jahre lang den Einsatz des Dosiermittels verheimlicht. Meine eigenen Recherchen haben leider zu der Vermutung geführt, dass das Dosiermittel zumindest zeitweise unsachgemäß eingesetzt und überdosiert wird. Ich selbst, und wie sich später herausstellte viele andere Mieter auch, hatten unerklärliche Hautreaktionen. Das Wasser aus dem Hahn war zeitweise ungenießbar. Die frischgewaschene Wäsche stinkt immer wieder. Meine Anzeige beim Amt für öffentliche Ordnung, beim Gesundheitsamt, beim Amt für Umweltschutz und bei der Staatsanwaltschaft lief ins Leere. Die Trinkwasserpanscherei und der nachgewiesene dreifache Verstoß gegen die Trinkwasserverordnung durch die SWSG wurde von allen staatlichen Stellen gedeckt. Das ist für mich der eigentliche Skandal“.

 Die SWSG behauptete selbst noch vor Gericht, das Dosiermittel verbessere die Wasserqualität und sei gesundheitlich unbedenklich. In dem Gerichtsverfahren war die Gesundheitsgefährdung eine Nebensache. Die Gutachterin sagte vor Gericht aus, dass es strittig sei, ob die eingesetzten Phosphate im Trinkwasser gesundheitsschädlich seien oder nicht. Die Trinkwasserabteilung des Umweltbundesamtes schreibt allerdings am 9.10.2017 in einer mail an Bettina Kienzle: „Aus unserer Sicht ist die Phosphatdosierung durchaus mit Risiken verbunden. Phosphat ist ein Nährstoff für Mikroorganismen und bei einer unsachgemäßen Dosierung und Lagerung der Chemikalien kann dies zu einer Verkeimung des Trinkwassers führen.“.

Auch der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) erklärt, dass die Trinkwasserdosierung nur im Notfall angewendet und zeitlich begrenzt werden soll. Es sei nicht auszuschließen, dass es zu einer Verkeimung komme. Der mikrobiologischen Beschaffenheit des Trinkwassers sei bei einer Dosierung erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen.

Die Mieterinitiativen fordern, dass alle SWSG-Mieter die zu unrecht berechneten Kosten zurückerstattet bekommen. Darüber hinaus soll die SWSG die chemische Wasseraufbereitung durch eine physikalische ersetzen und alte Rohre schnellstens durch neue ersetzen.

Aufgrund des öffentlichen Drucks der Mieterinitiative werden in den Hochhäusern im Lauchhau nun Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt. Nach Abschluss dieser Maßnahmen ist die Trinkwasserdosierung überflüssig.

Bei einem Gerichtstermin am 12.10.2016 erklärte ein Vertreter der SWSG auf die Frage des Richters, dass in fünf weiteren Wohnanlagen das Trinkwasser dosiert würde.

 

Pressemitteilung vom 5.12.2017