Mieter/Bürgerinitative Hallschlag

c/o Ursel Beck, Terrotstr. 33, 70374 Stuttgart

Mieterbeirat Antonio Ciliberti, Am Römerkastell 147, 70376 Stuttgart

An
SWSG
Rostocker Str. 2 – 6
70376 Stuttgart

SWSG
Augsburger Str. 696
70329 Stuttgart

An alle Aufsichtsratsmitgliedern der SWSG

An alle Gemeinderäte

An Herrn Kautz vom Amt für Liegenschaften und Wohnen

Mieterverein Stuttgart zur Kenntnis

Stuttgart, den 15.11.2012

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Baumaßnahmen in der Bottroper Str. 45 – 49 und 65 – 69 stehen vor dem Abschluss. Die Mieter gehen davon aus, dass die SWSG in den nächsten Wochen auf der Grundlage der tatsächlichen Baukosten Mieterhöhungsverlangen verschickt. Die Mieter befürchten, dass entsprechend der Vorankündigung, die Mieterhöhungen bis zu 64% betragen werden.

Bei einer Mieterversammlung am 29.10.2012 von Mietern der Bottroper Str. 45 –49 und 65 –69 gab es von Seiten der Anwesenden große Kritik an den durchgeführten Baumaßnahmen. Folgende Kritikpunkte wurden geäußert:

  • es wurde minderwertiges Material verwendet und zum Teil nicht fachmännisch gearbeitet, so dass es bald zu Schäden kommen kann. Konkret erwarten die Bewohner z.B. dass die Balkone nach Regen nicht trocken werden.
  • in fast allen Wohnungen gibt es Mängel und es wurde Eigentum der Mieter (Böden, Schränke, Lampen) beschädigt
  • die Mieter hatten und haben große Schwierigkeiten die SWSG zu erreichen, um Schäden und Mängel zu reklamieren
  • Zusagen von Mängel- und Schadensbehebungen durch die SWSG werden nicht eingehalten
  • die Baufirmen haben Bauschutt hinterlassen, den die Mieter beseitigen mussten
  • zugesagte Reinigungsarbeiten wurden nie eingehalten. Auch nicht die von der SWSG am 23.Mai 2012 schriftlich zugesagte wöchentliche Reinigung.
  • Von Seiten der SWSG gab es keinerlei Bauaufsicht (keine Kontrolle über Einhaltung von Bauvorschriften, Qualität von Baumaterial und Bauarbeiten, Mindestlohn)
  • An den meisten Balkonbrüstungen fehlen bis heute Schutzschellen
  • In allen Häusern außer Haus Nr. 47 wurden die Feuerschutzschellen nicht fest angeschraubt.

Abgesehen vom Einbau von Rolläden und einer besseren Schallisolierung betrachten die Mieter die durchgeführten Maßnahmen als keine Wohnwertverbesserung, zumal noch nicht absehbar ist, inwieweit die Heizkosten aufgrund der energetischen Sanierung tatsächlich sinken. Bei der Vorankündigung der Mieterhöhung hat die SWSG die Beträge für die Heizkostenpauschale nicht reduziert.

Mieter berichteten, dass die Nachteile der Modernisierungsmaßnahmen überwiegen. Als gravierende Mängel wurden genannt:

  • die Balkone sind sehr viel kleiner als früher. Ebenso sind die Toiletten und Bäder kleiner als vor der Modernisierung.
  • In Haus Nr. 65 ist die Situation der Toiletten unzumutbar, da sich die Türen nach innen öffnen.
  • Die neuen Toilettenspülungen verbrauchen viel mehr Wasser als die alten
  • Die elektrische Zwangslüftung in den Bädern und Toiletten ist dauernd in Betrieb, verbraucht Strom und ist sehr laut, was vor allem nachts sehr störend ist.
  • Sobald an einer anderen Stelle Wasser entnommen wird, fließt das Wasser in der Dusche nicht mehr gleichmäßig kalt bzw. warm.

Die Mieter fordern von der SWSG, dass sie mit allen Mietern einen Termin vereinbart, um Schäden und Mängel zu dokumentieren und sie schnellstmöglichst beseitigt.

Für Haus Nr. 65 ist es unerlässlich, dass in die Toiletten neue Türen eingesetzt werden, die sich nach außen öffnen.

Wir fordern die Geschäftsführung der SWSG auf, die Erhöhung der Grundmiete auf 10% zu begrenzen und bei der Neuberechnung der Miete eine realistische Reduzierung der zu erwartenden Heizkostensenkung zu berücksichtigen.

Wir fordern das Amt für Liegenschaften und Wohnen auf die Mieterhöhung von bis zu 64% in keinem Fall zu akzeptieren. Wir fordern die Gemeinderäte im Aufsichtsrat der SWSG auf in der nächsten Aufsichtsratsitzung einen formalen Beschluss über die Begrenzung der Erhöhung der Kaltmiete in der Bottroper Straße auf 10% zu beschließen.

Wir erinnern die Fraktionen im Gemeinderat daran, dass ihre Oberbürgermeisterkandidaten im zurückliegenden OB-Wahlkampf auf Großplakaten das Thema bezahlbare Mieten zu einem zentralen Wahlversprechen gemacht haben. (Fritz Kuhn von den Grünen: „bezahlbaren Wohnraum für alle“, Sebastian Turner für CDU/FDP/FW: „Miteinander für günstige Wohnungen“, Bettina Wilhelm für die SPD: „in Stuttgart zählt jeder Quadratmeter. Aber nicht mehr als der Mensch“. Die Mieter verlangen, dass diese Versprechungen jetzt umgesetzt werden. Das bedeutet, dass die Mieterhöhung in der Bottroper Straße sowie die von der SWSG geplante Erhöhung der Mieten bei frei finanzierten Wohnungen um bis zu 10% von den Aufsichtsräten und vom Gemeinderat abgelehnt werden.

Wir weisen darauf hin, dass der allergrößte Teil der Baumaßnahmen in der Bottroper Straße Instandhaltung und keine Modernisierung ist. Es ging um die Beseitigung von Baumängeln aufgrund einer kaputten Fassade und von kaputten Abflussrohren.
An der Fassade und am Dach wurden 40 Jahre keine Instandhaltungsmaßnahmen gemacht. Die SWSG selbst sprach von „erheblichen Schadstellen“ an der Fassade. Trotzdem wurden in der Modernisierungsankündigung der SWSG nur 10% der Baukosten für die Fassade als Instandhaltungsanteil abgerechnet. Wir gehen davon aus, dass für die 72.000 Euro angegebenen Instandhaltungskosten noch nicht einmal das Gerüst für neun Monate Bauzeit finanziert werden kann. Bei den Dachdeckerarbeiten rechnet die SWSG die Hälfte als Modernisierung ab.

Die Modernisierung der Bäder war Folge der dringend notwendigen neuen Rohre. Die SWSG sprach von „vermehrt auftretenden Schäden innerhalb der Wohnungen, vor allem an den Wasser- und Abwasserleitungen“. Trotzdem wurden von der SWSG 20% der Baukosten für eine angebliche Modernisierung der Bäder angesetzt. Die Küchen- und Flurfenster waren noch alte Holzfenster, die undicht waren. Ein Austausch dieser Fenster war eine überfällige Instandhaltungsmaßnahme. Trotzdem berechnet die SWSG in ihrem Kostenvoranschlag von 460.000 Euro Glaserarbeiten nur 23.000 Euro als Instandhaltungsanteil.
Alle Posten müssen im Einzelnen überprüft werden. Die Vertreterin des Mietervereins, Frau Wittmer, hat bei der Mieterversammlung am 29.10.2012 erklärt, dass der Mieterverein dies für seine Mitglieder tun werde.

Generell stellt sich die Frage wie es sein kann, dass die durchschnittlichen Baukosten pro Wohnung 70.000 Euro betragen. Hat der Aufsichtsrat der SWSG die Ausschreibung kontrolliert bzw. ist er der Frage nachgegangen, warum die Maßnahmen so extrem teuer sind.

Man muss sich vergegenwärtigen, dass es sich um Hochhäuser handelt und in den Wohnungen nur Rohre in Bädern und Toiletten erneuert und ein geringer Teil der alten elektrischen Leitungen ersetzt wurden. In den Küchen sind die alten Rohre geblieben. Es wurden keine neuen Wohnungstüren, keine neuen Zimmertüren und keine neuen Böden eingebaut. Auch die uralten Heizkörper (außer im Bad) wurden nicht ersetzt.

Wir halten es ferner für nicht akzeptabel, dass ein städtisches Wohnungsunternehmen wie die SWSG die gesetzlich zulässige Amortisierung von Modernisierungskosten innerhalb von 9 Jahren ausschöpft. Diese gesetzliche Regelung ist eine unsoziale Bevorteilung des Vermieters, zumal die erhöhte Miete nach neun Jahren nicht wieder reduziert wird.

Die SWSG investiert in der Bottroper Straße insgesamt 13,4 Millionen Euro. Laut Angaben der SWSG sind das 920 Euro pro Quadratmeter. Demnach haben die Blocks eine Wohnfläche von 14.565 qm. Bei einer Grundmiete von 6.50 Euro/qm betragen die Mieteinnahmen der SWSG im Monat 94.672 Euro und im Jahr 1,1 Millionen. Die Nebenkosten sind hier außen vor. D.h. innerhalb von 12 Jahren (Mieterhöhungen in der Zeit unberücksichtigt) hat die SWSG die Kosten für die gesamten Modernisierungsmaßnahmen einkassiert. Danach bezahlen die Mieter die erhöhte Miete aber weiter.

Wir weisen darauf hin, dass es sich bei den Wohnungen in der Bottroper Straße um öffentlich geförderte Wohnungen handelt. Sie unterliegen Satzungsmieten. Mit der von der SWSG beabsichtigten Mieterhöhung wird eine Grundmiete von 6,40 Euro und mehr erhoben. Dies halten wir für mit Steuergeldern geförderte Sozialwohnungen für nicht gerechtfertigt.

In der Vorankündigung für die Mieterhöhung steht, dass die SWSG mit der Mieterhöhung die Erhöhungsmöglichkeit nicht ausschöpfe. SWSG-Geschäftsführer Wilfried Wendel erklärte am 8.3.2012 gegenüber der Südwestpresse, dass der Quadratmeterpreis für eine durchschnittliche Wohnung Baujahr 1975 – je nach Größe – zwischen 6,40 Euro und 9,90 Euro liege. Die Häuser in der Bottroper Straße wurden aber bereits 1972 gebaut. Der Mietspiegel 2011/12 liegt hier bei Häusern, die vor 1975 gebaut sind, bei durchschnittlicher Ausstattung und Lagenachteil (Hochhaus, starker Verkehrsbelastung durch Löwentorstraße und Bahnlinie) bei Wohnungen ab 50 qm bei 6,00 Euro bis 8,20 Euro. Mit einer Miete von 6,40 pro Quadratmeter geht die SWSG damit über die untere Grenze des Mietspiegels.

Die SWSG erklärt de facto, dass sie ihren sozialen Anspruch schon dadurch erreiche, dass sie nicht an die Obergrenze des Mietspiegels gehe. Dazu ist zu sagen, dass das Landeswohnraumförderungsgesetz bei öffentlich geförderten Wohnungen vorschreibt, dass die Miete 10% unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen muss (§ 32, Abs.3).

Wir sind der Meinung, dass Sozialmieten nicht annähernd auf Mietspiegelniveau liegen dürfen. Der Mietspiegel ist bekanntlich der Mittelwert von Wohnungen, deren Miete in den letzten vier Jahren erhöht wurden bzw. die neu vermietet wurden. Wenn die SWSG die Mieten ihrer 18.000 Wohnungen auf Mietspiegelniveau erhöht hat das insgesamt eine Erhöhung des Mietspiegels und eine Erhöhung des Mietpreisniveaus zur Folge.
Wenn die ganzen Beteuerungen von bezahlbarem Wohnraum nicht nur Sprechblasen sein sollen, muss die SWSG entgegen dem Trend einen Mietpreisstopp verhängen und Mieten, die bereits auf Mietspiegelniveau sind, absenken.

Aus den genannten Gründen erwarten wir vom Amt für Liegenschaften, dass sie der Erhöhung der Satzungsmiete in dem von der SWSG verlangten Umfang ablehnt.

Zur Untermauerung der Begründung, dass es sich hauptsächlich um Instandhaltung handelt senden wir Ihnen eine von einem Mieter der Bottroper Straße erarbeitete Zusammenstellung mit Fotos, an denen Schäden der Fassade erkennbar sind.

Zu Ihrer Information erhalten Sie Anlage II der Modernisierungsankündigung der SWSG für die Häuser Bottroper Str. 45 – 49 und 65 – 69 aus denen Sie den Kostenvoranschlag und die ungerechtfertigte Aufteilung der SWSG in Instandhaltung und Modernisierung entnehmen können.

Mit freundlichen Grüßen

Ursel Beck (Vorstand der Mieter/Bürgerinitiative)
Antonio Ciliberti (Mieterbeirat)